08 September

Urlaubsgewährung nach fristloser Kündigung zur wirksamen Urlaubsabgeltung

BAG, Urteil vom 10.02.2015, Az. 9 AZR 455/13

Das Praxisproblem

Regelmäßig heißt es in Kündigungsschreiben, dass „der Arbeitnehmer von der Erbringung seiner Arbeitsleistung mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche widerruflich oder unwiderruflich freigestellt wird“.

Diese Formulierung findet sich oft auch in Kündigungsschreiben, in denen eine fristlose Kündigung und vorsorglich und hilfsweise auch eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wird. Das BAG musste sich jetzt mit der Frage beschäftigen, ob bei Feststellung der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung die Freistellung unter Anrechnung von Urlaubsansprüchen innerhalb der ordentlichen Kündigungsfrist erfolgt und damit der Urlaub wirksam abgegolten war.

Die Entscheidung

Der Kläger war seit dem 01.10.1987 bei der Beklagten beschäftigt. Mit Schreiben vom 19.05.2011 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sofortiger Wirkung. Hilfsweise kündigte sie fristgemäß zum 31.12.2011. Sie stellte den Kläger für den Fall der Wirksamkeit der fristgemäßen Kündigung mit sofortiger Wirkung unter Anrechnung sämtlicher Urlaubs- und Überstundenansprüche unwiderruflich von der Erbringung seiner Arbeitsleistung frei. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage. Durch gerichtlichen Vergleich wurde festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung zum 31.12.2011 beendet wird. Bis dahin sollte das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abgerechnet werden. Die Abrechnung erfolgte. Eine Abgeltung für bislang noch nicht genommene Urlaubsansprüche unterblieb. Die Beklagte vertrat die Auffassung, der Urlaub sei abgegolten.

Der neunte Senat des BAG hat seine eigene bisherige Rechtsprechung geändert. Der Senat hatte bisher angenommen, der Arbeitgeber könne den Urlaub vorsorglich für den Fall gewähren, dass eine von ihm erklärte ordentliche oder außerordentliche Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht auflöst. Diese Freistellung könne auch dadurch erfolgen, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer unter Anrechnung auf Urlaubsansprüche von der Verpflichtung zur Arbeitsleistung freistelle.

Jetzt vertritt der neunte Senat folgende Auffassung: Stellt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für den Fall der Unwirksamkeit einer fristlosen Kündigung für die Dauer der Kündigungsfrist der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung frei und erhebt der Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage, so steht während der ordentlichen Kündigungsfrist regelmäßig nicht rechtskräftig fest, ob die außerordentliche Kündigung wirksam ist. Es besteht also Zweifel darüber, ob der Arbeitnehmer tatsächlich noch eine Arbeitsleistung schuldet. Außerdem beinhaltet die Gewährung von Urlaub nicht nur die Freistellung von der Arbeit, sondern auch die Zahlung von Vergütung während des Erholungsurlaubes. Dem Arbeitnehmer muss mit der Inanspruchnahme des Urlaubes ein Anspruch auf Vergütung sicher sein. Es genügt nicht, wenn ihm zu irgendeinem späteren Zeitpunkt nach der rechtskräftigen Entscheidung durch das Gericht über die Kündigungsschutzklage ein Anspruch auf Urlaubsvergütung zuerkannt wird.

Praxisempfehlung

Wird also eine fristlose Kündigung ausgesprochen und zugleich vorsorglich und hilfsweise eine ordentliche Kündigung, und soll im Zeitraum der ordentlichen Kündigungsfrist Urlaub abgegolten werden, so muss der Arbeitgeber gleichzeitig ausdrücklich erklären, dass er den Urlaub in jedem Fall vergüten wird. Nur dann ist der Urlaub in der ordentlichen Kündigungsfrist abgegolten, und es ist keine Urlaubsabgeltung zu bezahlen.

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Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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