08 September

Nachträgliche Urlaubskürzung wegen Elternzeit ist unwirksam - Änderung der Rechtsprechung

BGH, Urteil vom 19.05.2015, Az. 9 AZR 725/13

Das Praxisproblem

Nicht selten scheiden Arbeitnehmer/innen nach der Geburt ihres Kindes und nach Gewährung von Elternzeit aus dem Arbeitsleben aus.

Während der Elternzeit ruht das Arbeitsverhältnis. In dieser Zeit schulden Arbeitnehmer/innen keine Arbeitsleistung und der Arbeitgeber kein Arbeitsentgelt. Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) sieht für diese Zeit des ruhenden Arbeitsverhältnisses vor, dass der Arbeitgeber für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit den Urlaub um 1/12 kürzen kann. Scheiden Arbeitnehmer/innen also nach der Elternzeit aus dem Arbeitsverhältnis aus, sind die Vertragsparteien in der Vergangenheit regelmäßig davon ausgegangen, dass auch sämtliche Urlaubsansprüche aufgrund der Regelung in § 17 Abs. 1 BEEG erledigt sind. Das Bundesarbeitsgericht sieht dies jedoch seit dem 19.05.2015 anders.

Die Entscheidung

Im Streitfall vor dem BAG war die Klägerin ab April 2007 mit einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 2.000,00 € im Seniorenheim der Beklagten als Ergotherapeutin beschäftigt gewesen. Sie hatte bei einer 5-Tage-Woche 36 Urlaubstage im Kalenderjahr. Nach der Geburt ihres Sohnes im Dezember 2010 befand sich die Klägerin ab Mitte Februar 2011 bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 15.05.2012 in Elternzeit. Mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses forderte die Klägerin für die Zeit bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abgeltung ihrer Urlaubsansprüche. Die Beklagte erklärte im September 2012, dass sie rückwirkend für die Zeit von 2010 bis 2012 den Urlaub gemäß der gesetzlichen Regelung des § 17 Abs. 1 BEEG kürze.

Das BAG hat diese nachträgliche Kürzung des Urlaubsanspruches für unwirksam erklärt. Der neunte Senat ändert damit seine bisherige Rechtsprechung. Grund ist die Aufgabe der Surrogatstheorie. Der Abgeltungsanspruch ist ein reiner Geldanspruch. Dieser ist entstanden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist. Er kann nicht rückwirkend durch eine Erklärung des Arbeitgebers entfallen.

In § 17 Abs. 1 BEEG heißt es, dass der Arbeitgeber den Erholungsurlaub der dem Arbeitnehmer oder der Arbeitnehmerin für das Urlaubsjahr zusteht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen kann. Das BAG ist der Auffassung, dass die Kürzung nur dann möglich ist, soweit ein Anspruch auf Erholungsurlaub überhaupt noch besteht. Ein Anspruch auf Erholungsurlaub besteht dann nicht mehr, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer/die Arbeitnehmerin Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat. Eine Kürzung des Abgeltungsanspruches sieht § 17 Abs. 1 BEEG nicht vor.

Damit konnte der Arbeitgeber in dem zu entscheidenden Fall die Kürzung des Urlaubsanspruches nicht mehr geltend machen. Er musste deswegen den gesamten noch bestehenden Urlaubsanspruch in Geld abgelten.

Praxisempfehlung

  1. Wir empfehlen, dass der Arbeitgeber bereits im Arbeitsvertrag von seinem Recht Gebrauch macht, den Urlaubsanspruch für die Elternzeit zu kürzen. Es sollte daher eine entsprechende Regelung in den Arbeitsvertrag aufgenommen werden. Außerdem sollte spätestens im Zusammenhang mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses die Kürzung erklärt werden.  
     
  2. Wir empfehlen für den Arbeitsvertrag folgende Formulierung:

Der Arbeitgeber kann gemäß § 17 Abs. 1 BEEG den Erholungsurlaub, der dem Arbeitnehmer für das Urlaubsjahr zu steht, für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12 kürzen. Der Arbeitgeber macht bereits jetzt von diesem Recht zur Kürzung Gebrauch. Der Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers verringert sich daher während der Elternzeit für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um 1/12. 

 

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

 

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