10 Dezember

Haben alle einen Spruch auf ein mindestens „gutes“ Zeugnis?

BAG, Urteil vom 18.11.2014, AZ: 9 AZR 636/13

In einem arbeitsgerichtlichen Verfahren vertrat die Klägerin die Auffassung, dass laut Studien 90 % der untersuchten Zeugnisse die Note „gut“ oder „sehr gut“ aufwiesen. Das müsse deswegen der neue Standard sein. Wirklich?

Das Praxisproblem

Wird ein Arbeitsverhältnis beendet, streiten Arbeitgeber und Arbeitnehmer nicht selten über die Formulierung des Zeugnisses. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG muss der Arbeitgeber zwar ein „wahres" Zeugnis ausstellen (§ 109 Abs. 1 S. 3 GewO). Außerdem muss sich das Zeugnis auf Verlangen sowohl auf die Leistungen als auch die Führung erstrecken (§ 630 BGB). Welche Note das Zeugnis haben muss, ist gesetzlich jedoch nicht geregelt.

Die Entscheidung

Die Klägerin war in der Zeit vom 01.07.2010 bis 30.06.2011 in einer Zahnarztpraxis im Empfangsbereich und als Bürofachkraft beschäftigt. Zu ihren Aufgaben gehörte unter anderem die Praxisorganisation, die Betreuung der Patienten, die Terminvergabe, die Führung und Verwaltung der Patientenkartei, die Ausfertigung von Rechnungen und die Aufstellung der Dienst- und Urlaubspläne. Außerdem half sie bei der Erstellung des Praxisqualitäts-managements. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses erteilte der Arbeitgeber ein Arbeitszeugnis. Er bewertete die Leistungen der Klägerin mit „zur vollen Zufriedenheit", was der Note „befriedigend" entspricht. Die Klägerin klagte auf Ausstellung eines Zeugnisses mit der Note „gut" und damit mit der Beurteilung „stets zur vollen Zufriedenheit".

Das BAG hat den Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen. Das BAG hält an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Die Note „befriedigend" ist als mittlere Note der Zufriedenheitsscala anzusehen. Begehrt der Arbeitnehmer eine Benotung im oberen Bereich der Skala, muss er darlegen, dass er den Anforderungen gut oder sehr gut gerecht geworden ist. Im vorliegenden konkreten Fall muss daher die Klägerin nachweisen und beweisen, dass sie Anspruch auf eine Bewertung mit der Note „gut" hat.

Das Landgericht hatte dagegen der Klägerin Recht gegeben. Das Landgericht berief sich auf Studien, nach denen fast 90 % der untersuchten Zeugnisse die Schlussnoten „gut" oder „sehr gut" aufweisen. Auf diese Argumentation ließ sich das BAG jedoch nicht ein. Es führte aus, dass sich den Studien Tatsachen, die den Schluss darauf zulassen, dass 9 von 10 Arbeitnehmern gute oder sehr gute Leistungen erbringen, nicht entnehmen lassen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass bei dieser Studie auch Gefälligkeitszeugnisse in die Untersuchungsergebnisse eingeflossen sind. Gefälligkeitszeugnisse entsprechen aber in der Regel nicht dem Wahrheitsgebot des § 109 GewO.

Die Praxisempfehlung

Die Note 3 „befriedigend“ bleibt der Standard.

Ein Arbeitnehmer hat nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Anspruch auf Ausstellung eines Zeugnisses. Er hat grundsätzlich einen Anspruch auf ein wohlwollendes qualifiziertes Zeugnis, das entspricht der Note „befriedigend". Begehrt ein Arbeitnehmer eine bessere Note, muss er darlegen und auch beweisen, dass er besser als der Durchschnitt war. Dieser Beweis kann z.B. durch ein gutes Zwischenzeugnis oder sonstige gute Leistungsbeurteilungen erbracht werden. Ist der Arbeitgeber der Auffassung, der Arbeitnehmer habe unterdurchschnittlich gearbeitet, muss dies der Arbeitgeber darlegen und gegebenenfalls beweisen. Ein solcher Beweis kann z.B. durch zwischenzeitlich erfolgte schlechte Beurteilungen oder auch wiederholte Abmahnungen geführt werden.

Nachfolgend stellen wir Ihnen die Bedeutung einzelner Formulierungen dar.

„sehr gut" die Leistungen wurden stets/jederzeit/immer zu unserer vollsten Zufriedenheit erbracht
"gut" die Leistungen wurden stets/jederzeit/immer zu unserer vollen Zufriedenheit erbracht
"befriedigend" die Leistungen wurden zu unserer vollen Zufriedenheit erbracht
"ausreichend" die Leistungen wurden zu unserer Zufriedenheit erbracht
„mangelhaft" die Leistungen wurden im Großen und Ganzen erbracht/der Arbeitnehmer hat sich bemüht, die Aufgaben zu erfüllen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Wichtig ist aber nicht nur die zusammenfassende Beurteilung, sondern auch die Einzelbeurteilung des Engagements, der Sorgfalt, der Zuverlässigkeit etc. Auch eine Schlussformel ist entscheidend. Drückt der Arbeitgeber sein Bedauern wegen des Ausscheidens des Arbeitnehmers aus, wünscht er ihm für die Zukunft alles Gute und bedankt er sich für die Zusammenarbeit, drückt dies eine besondere Wertschätzung gegenüber dem Arbeitnehmer aus. Es besteht jedoch, das wurde bereits entschieden, auf eine solche Schlussformel kein einklagbarer Anspruch.

Ein Zeugnis ist also immer in seiner Gesamtschau zu beurteilen.


Wir stehen Ihnen bei der "richtigen" Formulierung und der Überprüfung von Arbeitszeugnissen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

Beate Puplick, Fachanwältin für Arbeitsrecht
Cordula Zimmermann, Fachanwältin für Arbeitsrecht

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