Liegt eine Einstellung im Sinne des BetrVG vor, wenn Personen eine weisungsgebundene Tätigkeit verrichten, aber nicht in den Betrieb eingegliedert sind?
16 März

Liegt eine Einstellung im Sinne des BetrVG vor, wenn Personen eine weisungsgebundene Tätigkeit verrichten, aber nicht in den Betrieb eingegliedert sind?

Hat der Arbeitgeber Teilbereiche seines Betriebes ausgegliedert und werden im ausgegliederten Bereich Arbeitskräfte eingesetzt, stellt sich die Frage, ob der Betriebsrat im Hinblick auf den Einsatz dieser Arbeitskräfte ein Mitbestimmungsrecht nach § 99 BetrVG hat.

BAG, Beschluss vom 08.11.2016, Az. 1 ABR 57/14

Das Praxisproblem

 

Gliedert der Arbeitgeber Teilbereiche seines Betriebes aus, wird diese zunächst von eigenen Mitarbeitern des Arbeitgebers erbrachte Leistung im Anschluss von dem Auftragnehmer und dessen Mitarbeitern erbracht. Die Art und Weise der von den Mitarbeitern des Auftragnehmers zu erbringenden Arbeitsleistung ist in vielen Fällen nicht von der zuvor von den eigenen Mitarbeitern des Arbeitgebers erbrachten Arbeitsleistung zu unterscheiden. Betriebsverfassungsrechtlich kann sich daher das Problem ergeben, ob dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht, welche Person auf dem ausgegliederten Arbeitsplatz eingesetzt wird.

 

Die Entscheidung

 

Die Arbeitgeberin betreibt in dem vom BAG zu entscheidenden Fall zwei psychiatrische Fachkliniken. Dort sind ca. 1.100 Arbeitnehmer beschäftigt. In beiden Fachkliniken wurden im Bereich Empfang/Pforte/Informations- bzw. Telefondienst zunächst eigene Arbeitnehmer der Arbeitgeberin eingesetzt. Zum 29.03.2013 wurde in einer Fachklinik der Bereich Pforte aufgelöst. Der gesamte Pfortenbereich wurde aufgrund einer schriftlichen vertraglichen Vereinbarung auf eine konzernzugehörige Servicegesellschaft übertragen. In der vertraglichen Vereinbarung wurden die von der Servicegesellschaft geschuldeten Leistungen konkret definiert.

Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, dass der Bereich Pforte unverändert Teil des Klinikbetriebes sei. Die im Pfortenbereich eingesetzten Arbeitskräfte erhielten von dem Klinikpersonal, so der Betriebsrat, ablauf- und personenbezogene Weisungen. Sie seien also in den Betrieb der Arbeitgeberin eingegliedert. Deswegen sei der Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei einer Einstellung zu beteiligen.

Das BAG hat in der Entscheidung zunächst definiert, dass eine Einstellung gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG immer dann vorliegt, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den dort schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebes durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Dabei kommt es, so das BAG, auf das Rechtsverhältnis, in dem die Person zum Betriebsinhaber steht, nicht an.

Es ist also nicht maßgebend, ob ein Arbeitsvertrag vorliegt. Eingegliedert ist, wer eine ihrer Art nach weisungsgebundene Tätigkeit verrichtet, die der Arbeitgeber organisiert. Der Beschäftigte muss also so in die betriebliche Arbeitsorganisation integriert sein, dass der Arbeitgeber das für ein Arbeitsverhältnis typische Weisungsrecht innehat und die Entscheidung über den Einsatz nach Inhalt, Ort und Zeit trifft.

Für die Frage der Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation ist die Eigenart der jeweiligen Tätigkeit maßgebend.

Eine Eingliederung in den Betrieb und dessen Organisation ist allerdings nicht schon dann anzunehmen, wenn Personen im Betrieb des Auftraggebers tätig werden und ihre Dienstleistung oder das von ihnen zu erstellende Werk nach Art, Umfang, Güte, Zeit und Ort in den betrieblichen Arbeitsprozess eingeplant oder detailliert beschrieben ist.

Es genügen auch weder die enge räumliche Zusammenarbeit von Arbeitnehmern im Betrieb, noch die Einweisung und Koordination des Fremdfirmeneinsatzes durch Beschäftigte des Arbeitgebers oder der Umstand, dass die betreffende Tätigkeit bislang von Arbeitnehmern des Arbeitgebers ausgeführt wurde.

In dem Streitfall stand der Arbeitgeberin kein Recht zu, die im Bereich der Pforte eingesetzten Arbeitskräfte zu koordinieren. Die Arbeitgeberin hatte kein Weisungsrecht im Hinblick auf Inhalt, Ort und Zeit einschließlich der Gestaltung des Dienst- und Urlaubsplanes der dort eingesetzten Arbeitskräfte.

Die Arbeitskräfte wurden mit einem Dienstplan durch die Servicegesellschaft eingesetzt. Dienstzeiten und Urlaubszeiten mussten von den Arbeitskräften mit der Servicegesellschaft abgestimmt werden. Zeiten der Arbeitsunfähigkeit waren bei dieser anzuzeigen.

Dass der Pfortenbereich insgesamt zu bestimmten Zeiträumen zu besetzen war, bezog sich nicht auf die einzelnen Arbeitskräfte. Deswegen hat das BAG ein Weisungsrecht der Arbeitgeberin verneint und somit auch eine Eingliederung der Arbeitskräfte im Bereich der Pforte in der Fachklinik abgelehnt.

Der Betriebsrat hat betreffend dieser Personen kein Mitbestimmungsrecht gemäß § 99 Abs. 1 S. 1 BetrVG.

 

Praxisempfehlung

 

Für die Frage, ob ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates bei einer Einstellung vorliegt, sollte, gegebenenfalls gemeinsam mit dem Betriebsrat, geprüft werden, wer über den Einsatz des Arbeitnehmers tatsächlich disponiert. Es darf dabei nicht auf die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers abgestellt werden, sondern darauf, wer ihm gegenüber Arbeitszeit und Arbeitsort bestimmt.

 

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Beate Puplick  Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin

Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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