Ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, während seiner bestehenden Arbeitsunfähigkeit an einem Personalgespräch beim Arbeitgeber teilzunehmen?
16 März

Ist ein Arbeitnehmer verpflichtet, während seiner bestehenden Arbeitsunfähigkeit an einem Personalgespräch beim Arbeitgeber teilzunehmen?

Darf die Nichtteilnahme abgemahnt werden?

Arbeitgeber streben für eine optimale Disposition und Personalplanung eine möglichst hohe Transparenz an. Ist ein Arbeitnehmer längerfristig erkrankt kann es für den Arbeitgeber wichtig sein zu erfahren, ob er kurzfristig mit einer Rückkehr des Arbeitnehmers rechnen kann.

BAG, Urteil vom 02.11.2016, Az. 10 AZR 596/15

Das Praxisproblem

Sind Arbeitnehmer langfristig erkrankt, ist es für den Arbeitgeber wichtig zu erfahren, wann ein Arbeitnehmer voraussichtlich in welchem Umfang wieder arbeitsfähig sein wird. Diese Information benötigt der Arbeitgeber, um für die Zukunft disponieren zu können sowie für eine optimale Personalplanung. Zur Klärung wünschen sich viele Arbeitgeber ein konstruktives gemeinsames Gespräch mit dem Arbeitnehmer. Sie laden daher den Arbeitnehmer zu einem Gespräch ein. Erscheint der Arbeitnehmer nicht, stellt sich die Frage, ob der Arbeitnehmer sich pflichtwidrig verhalten hat und ob dieses möglicherweise pflichtwidrige Verhalten des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber sanktioniert werden darf.

 

Die Entscheidung

 

In der Entscheidung des BAG vom 02.11.2016 streiten die Parteien über die Entfernung einer dem klagenden Arbeitnehmer erteilten Abmahnung aus dessen Personalakte sowie über die Verpflichtung des Klägers zur Teilnahme an einem Personalgespräch bei dem beklagten Arbeitgeber während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit.

Die Beklagte betreibt in Berlin mehrere Krankenhäuser. Der Kläger ist bei der Beklagten seit dem 01.04.2003 beschäftigt. Vom 29.11.2013 bis zum 21.02.2014 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte lud ihn mit Schreiben vom 18.12.2013 zu einem Gespräch ein. In dem Schreiben hieß es, das Gespräch diene „zur Klärung der weiteren Beschäftigungsmöglichkeit“. Als Termin wurde der 06.01.2014 angegeben.

Der Kläger sagte das Gespräch per Fax unter Hinweis auf seine ärztlich attestierte Arbeitsunfähigkeit ab. Die Beklagte lud den Kläger daher mit inhaltlich identischem Schreiben vom 24.01.2014 zu einem Gespräch am 11.02.2014 ein.

Dieses Schreiben enthielt den Zusatz, dass der Kläger, wenn er an der Wahrnehmung des Termins gehindert sei, dies durch Vorlage eines speziellen ärztlichen Attestes nachweisen müsse. Die Beklagten wies ausdrücklich darauf hin, dass die vorliegende allgemeine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht ausreiche.

Auch diese Einladung lehnte der Kläger unter Hinweis auf seine weiterhin bestehende Arbeitsunfähigkeit ab. Die Beklagte erteilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 18.02.2014 eine Abmahnung. Sie unterstellte dem Kläger, dass er den Gesprächen unentschuldigt ferngeblieben sei.

Der Kläger klagte auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte und auf die Feststellung, dass er während der Arbeitsunfähigkeit nicht verpflichtet ist, an einem Personalgespräch teilzunehmen

Das BAG hat der Klage stattgegeben.

Nach der Rechtsprechung des BAG kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit nur dann anweisen, zu einem Personalgespräch in den Betrieb zu kommen, wenn hierfür ein dringender betrieblicher Anlass besteht. Dieser dringende betriebliche Anlass muss so dringend sein, dass ein Aufschub auf einen Zeitpunkt nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit ausscheidet, also die persönliche Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb dringend erforderlich ist und ihm auch zugemutet werden kann.

In dem zu entscheidenden Fall war der Kläger nicht verpflichtet, den Einladungen zu einem Personalgespräch zu folgen.

Die diesbezüglichen Weisungen der Beklagten waren nicht von dem ihr gemäß § 106 GewO zustehenden Direktionsrecht gedeckt. Während der Dauer einer krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit hat der Arbeitgeber kein Weisungsrecht gemäß § 106 GewO, soweit es Pflichten betrifft, von deren Erfüllung der Arbeitnehmer krankheitsbedingt befreit ist.

Etwas Anderes gilt nur dann, wenn dringende betriebliche Gründe vorliegen. Die Beklagte hat in dem Rechtsstreit nicht dargelegt, dass das Erscheinen des krankheitsbedingt arbeitsunfähigen Klägers am 06.01.2014 und am 11.02.2014 unumgänglich war, um das Arbeitsverhältnis zukünftig sinnvoll fortsetzen zu können.

Der Kläger war krankheitsbedingt vom Erscheinen bei der Beklagten entbunden.

Da keine Pflicht zum Erscheinen bestand, war das Fernbleiben des Klägers nicht pflichtwidrig. Die Abmahnung ist unbegründet.

 

Praxisempfehlung

 

Nur in seltenen Fällen besteht tatsächlich während der Arbeitsunfähigkeit eines Arbeitnehmers ein dringender betrieblicher Anlass mit ihm in einem persönlichen Gespräch im Betrieb seine weitere Einsatzmöglichkeit zu besprechen. Sollte der Arbeitnehmer ein persönliches Gespräch ablehnen, sollte der telefonische Kontakt gesucht werden. Die Verweigerung des Arbeitnehmers stellt keine Pflichtwidrigkeit dar. Von einer Abmahnung sollte daher abgesehen werden.

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Beate Puplick  Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin

Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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