Darf das Tragen eines Kopftuches am Arbeitsplatz verboten werden?
16 März

Darf das Tragen eines Kopftuches am Arbeitsplatz verboten werden?

Zu der Frage, ob eine Arbeitnehmerin am Arbeitsplatz ein Kopftuch tragen darf, sind bereits mehrere Entscheidungen sowohl vor deutschen als auch vor anderen europäischen Gerichten ergangen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich in seinen Entscheidungen vom 14.03.2017 mit dieser Fragestellung befasst.

EuGH, Urteil vom 14.03.2017, Az. C-157/15 und C-188/15

Das Praxisproblem

 

Ist es Wunsch eines Arbeitgebers, nach außen hin und insbesondere gegenüber seinen Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln, steht dem das Tragen eines Kopftuches als Bekenntnis zum islamischen Glauben entgegen. Bislang war höchst umstritten, ob das Tragen eines Kopftuches als religiöses Bekenntnis untersagt werden darf. Der EuGH hat jetzt die Voraussetzungen für eine solche Untersagung festgelegt.

Die Entscheidungen

 

  1. C-157/15, G4S Secure Solutions

 

Der nachfolgend dargestellte Sachverhalt ereignete sich in Belgien.

Am 12.02.2003 nahm Frau Samira Achbita als Rezeptionistin bei der G4S ihre Arbeit auf. Sie ist Muslima. G4S ist ein privates Unternehmen. Es erbringt für Kunden aus dem öffentlichen und privaten Bereich unter anderem Rezeptions- und Empfangsdienste.

Im April 2006 kündigte Frau Achbita an, zukünftig während der Arbeitszeit ein islamisches Kopftuch zu tragen. G4S antwortete ihr, dass das Tragen eines Kopftuches nicht geduldet werde. Jedes sichtbare Tragen politischer, philosophischer oder religiöser Zeichen der Mitarbeiter von G4S werde nicht geduldet. Dies widerspreche der angestrebten Neutralität. Nach einer Erkrankung im Mai 2006 erschien Frau Achbita am 15.05.2006 wieder an ihrem Arbeitsplatz und trug das islamische Kopftuch.

Am 29.05.2006 wurde zwischen G4S und dem Betriebsrat eine Anpassung der Arbeitsordnung vorgenommen. Darin heißt es: „Es ist den Arbeitnehmern verboten, am Arbeitsplatz sichtbare Zeichen ihrer politischen, philosophischen oder religiösen Überzeugung zu tragen und/oder jeglichen Ritus, der sich daraus ergibt, zum Ausdruck zu bringen.“ Diese Arbeitsordnung trat am 13.06.2006 in Kraft. Frau Achbita hielt an ihrer Absicht fest, das islamische Kopftuch zu tragen. Am 12.06.2006 wurde sie entlassen.

Vom belgischen Kassationshof wurde der EuGH angerufen.

Der EuGH stellt in seiner Entscheidung klar, dass weder eine unmittelbare, noch eine mittelbare Diskriminierung zulässig ist. Der Begriff der Religion ist so zu verstehen, dass er zum einen den Umstand, eine religiöse Überzeugung zu haben, als auch die Freiheit der Person umfasst, diese Religion in der Öffentlichkeit zu bekunden.

Die von G4S aufgestellte Arbeitsordnung, die jedes sichtbare Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugung verbietet und ausnahmslos für jede Bekundung gilt, stellt, so der EuGH, als interne Regel keine unmittelbare Diskriminierung dar. Von der Regel werden alle Arbeitnehmer des Unternehmens gleichermaßen erfasst.

Wird von dem Geltungsbereich der Arbeitsordnung tatsächlich nur Frau Achbita erfasst, kann die Arbeitsordnung jedoch eine mittelbare Diskriminierung darstellen. Eine mittelbare Diskriminierung liegt aber dann nicht vor, wenn sie durch rechtmäßige Ziele gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Zieles angemessen und erforderlich sind. Dies ist jetzt vom nationalen belgischen Gericht zu prüfen.

Der EuGH gibt dem belgischen Gericht hierzu den Hinweis, dass der Wunsch eines Arbeitgebers, seinen öffentlichen und privaten Kunden ein Bild der Neutralität zu vermitteln, insbesondere dann rechtmäßig ist, wenn nur die Arbeitnehmer einbezogen werden, die mit den Kunden in Kontakt treten. Dieser Wunsch des Arbeitgebers gehört zu den von der Charta anerkannten unternehmerischen Freiheiten. Das Verbot, Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen sichtbar zu tragen, ist zudem zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Anwendung einer Politik der Neutralität geeignet, sofern diese Politik tatsächlich in systematischer Weise verfolgt wird. Das belgische Gericht muss daher prüfen, ob G4S eine entsprechende Politik im Unternehmen auch wirklich verfolgt. Außerdem muss das belgische Gericht prüfen, ob sich das Verbot nur an Mitarbeiter richtet, die Kundenkontakt haben. Ist dies der Fall, ist das Verbot für die Erreichung des angestrebten Ziels unbedingt erforderlich. Es muss zuletzt geprüft werden, ob Frau Achbita ein Arbeitsplatz ohne Kundenkontakt angeboten werden kann.

Im Ergebnis ist also ein Verbot, ein islamisches Kopftuch zu tragen, dann keine unmittelbare Diskriminierung, wenn eine interne Unternehmensregelung besteht, die das sichtbare Tragen jedes politischen, philosophischen oder religiösen Zeichens am Arbeitsplatz verbietet.

Ein solches Verbot kann jedoch eine mittelbare Diskriminierung darstellen und wäre somit unzulässig, wenn durch diese interne Regel nur bestimmte Personen erfasst und hierdurch benachteiligt sind. Dies wiederum ist aber dann gerechtfertigt, wenn die Verfolgung einer Unternehmenspolitik, die politische, philosophische und religiöse Neutralität gebietet, im Verhältnis zu den Kunden sachlich gerechtfertigt ist und die interne Unternehmensregelung zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist.

 

  1. C-188/15 Bougnaoui und ADDH

 

Der nachfolgend dargestellte Sachverhalt ereignete sich in Frankreich.

Frau Asma Bougnaoui traf im Oktober 2007 noch vor ihrer Anstellung durch das private Unternehmen Micropole auf einer Studienmesse einen Vertreter von Micropole. Sie trug zu diesem Zeitpunkt das islamische Kopftuch. Der Vertreter wies sie darauf hin, dass das Tragen des islamischen Kopftuches Probleme bereiten könne, wenn sie mit Kunden des Unternehmens in Kontakt trete.

Am 04.02.2008 stellte sich Frau Bougnaoui bei Micropole vor, um dort ihr Abschlusspraktikum zu absolvieren. Sie trug ein einfaches Bandana. Sie wurde mit Wirkung zum 15.07.2008 mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag als Softwaredesignerin eingestellt. Sie trug am Arbeitsplatz ein islamisches Kopftuch. Nach einer Beschwerde eines ihr von Micropole zugewiesenen Kunden betonte Micropole gegenüber Frau Bougnaoui den Grundsatz notwendiger Neutralität im Verhältnis zu Kunden. Sie wurde gebeten, keinen Schleier mehr zu tragen. Dieser Aufforderung kam Frau Bougnaoui nicht nach und wurde daraufhin gekündigt.

Vom französischen Kassationsgerichtshof wurde der EuGH angerufen.

Zunächst stellt der EuGH fest, dass durch das französische Gericht zu prüfen ist, ob eine interne Unternehmensregelung vorliegt, die es verbietet, Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugung zu tragen. Dies war der Entscheidung des französischen Kassationsgerichtshof nicht zu entnehmen. Sodann hat das französische Gericht zu überprüfen, ob die in dem Urteil zu G4S aufgestellten Voraussetzungen vorliegen.

Beruht die Entlassung der Frau Bougnaoui nicht auf einer solchen internen Regelung, ist zu prüfen, ob der Wille des Arbeitsgebers, dem Kundenwunsch zu entsprechen, durch Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie gerechtfertigt ist. Es ist also zu prüfen, ob der Kundenwunsch, nicht von einer Arbeitnehmerin bedient zu werden, die ein islamisches Kopftuch trägt, eine Entlassung rechtfertigt.

Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie können Mitgliedstaaten vorsehen, dass eine von der Richtlinie verbotene Ungleichbehandlung keine Diskriminierung darstellt, wenn das betreffende Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entsprechende berufliche Anforderung darstellt. Dies gilt dann, wenn es sich um einen rechtmäßigen Zweck und eine angemessene Anforderung handelt.

Der EuGH antwortet auf die Anfrage des französischen Kassationsgerichtshofes, dass der Wille eines Arbeitgebers, einem Kundenwunsch zu entsprechen, nicht von einer Arbeitnehmerin mit islamischem Kopftuch bedient zu werden, nicht als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung im Sinne des Art. 4 Abs. 1 angesehen werden kann. Wird die Kündigung also nur mit dem Kundenwunsch begründet, ist die Kündigung nicht gerechtfertigt.

 

Praxisempfehlung

 

Der EuGH stellt in den oben dargestellten Entscheidungen die Voraussetzungen dar, unter denen das Verbot des Tragens eines islamischen Kopftuches am Arbeitsplatz zulässig ist. Soweit auch in Ihrem Unternehmen das Ziel der Neutralität verfolgt wird und Sie das Tragen sichtbarer Zeichen politischer, philosophischer oder religiöser Überzeugungen untersagen wollen, sind wir Ihnen bei der Formulierung einer entsprechenden internen Richtlinie, Arbeitsordnung oder Betriebsvereinbarung gerne behilflich.

 

Wir stehen Ihnen gerne jederzeit beratend zur Verfügung. Sprechen Sie uns an!

 

Beate Puplick  Fachanwältin für Arbeitsrecht

Fachanwältin für Familienrecht Wirtschaftsmediatorin

Cordula Zimmermann Fachanwältin für Arbeitsrecht

 

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