Recht der Kommanditgesellschaft | Kapitalanlagerecht: Unter welchen Voraussetzungen können an einen Kommanditisten einer Publikumsgesellschaft gezahlte gewinnunabhängige Ausschüttungen zurückgefordert werden?
20 Februar

Recht der Kommanditgesellschaft | Kapitalanlagerecht: Unter welchen Voraussetzungen können an einen Kommanditisten einer Publikumsgesellschaft gezahlte gewinnunabhängige Ausschüttungen zurückgefordert werden?

OLG Hamm, Urteil vom 15.08.2016, Az. 8 U 138/15

Das Praxisproblem

Viele Fondsgesellschaften, etwa geschlossene Immobilien- oder Schifffahrtsfonds

sind als Kommanditgesellschaften in Form einer Publikums-KG, also mit einer Vielzahl von Kommanditisten, organisiert. Die Kommanditisten haften gegenüber Dritten nur in Höhe ihrer Kommanditeinlage. Ist die Kommanditeinlage allerdings an den Kommanditisten zurückgezahlt worden, besteht gemäß § 172 Abs. 4 HGB eine persönliche Haftung der Kommanditisten bis zur Höhe der ursprünglichen Kommanditeinlage.

Die Gesellschaftsverträge sehen oftmals vor, dass – im Rahmen der vorhandenen Liquidität – regelmäßige gewinnunabhängige Ausschüttungen an die Gesellschafter erfolgen.

Was als lukrative Geldanlage und „Steuersparmodell“ gedacht war, entpuppt sich bei einer wirtschaftlichen Schieflage der Gesellschaft als Problem: Können diese gewinnunabhängigen Ausschüttungen bei Liquiditätsproblemen der Gesellschaft zurückgefordert werden?

 

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm hat sich in seinem Urteil vom 15.08.2016 (Az. 8 U 138/15) mit dem folgenden Sachverhalt befasst:

Eine Fondsgesellschaft in Form einer Kommanditgesellschaft, deren Gegenstand der Erwerb und Betrieb eines Containerschiffs ist, fordert von ihren Kommanditisten die Rückzahlung gewinnunabhängiger Ausschüttungen.

Der Gesellschaftsvertrag sieht vor, dass für jeden Kommanditisten ein gesondertes Darlehenskonto geführt wird. Auf dieses Konto werden die gewinnunabhängigen Ausschüttungen an den jeweiligen Kommanditisten als Darlehen der Gesellschaft an den Kommanditisten gebucht.

Der Gesellschaft ist durch den Gesellschaftsvertrag das Recht eingeräumt, diese Auszahlungen zurückzufordern, wenn die Auszahlungen an die Gesellschafter zu einem Wiederaufleben von deren Haftung nach § 172 Abs. 4 HGB führen und die Liquiditätslage der Gesellschaft eine Rückführung nach der Feststellung der Geschäftsführung notwendig macht.

Nachdem es wegen der andauernden Krise auf dem Schifffahrtsmarkt zu Liquiditätsschwierigkeiten der Gesellschaft gekommen ist, kündigt die Geschäftsführung das Darlehen und fordert die gewinnunabhängigen Ausschüttungen zurück.

Zu Recht, wie das Oberlandesgericht urteilt.

Rechtsgrundlage für die Rückforderung der gewinnunabhängigen Ausschüttungen ist der Gesellschaftsvertrag. Gemäß § 169 Abs. 1 S. 2 HGB hat der Kommanditist nur einen Anspruch auf Auszahlung des ihm zukommenden Gewinns.

Der Anspruch der Kommanditgesellschaft besteht allerdings nicht schon dann, wenn an den Kommanditisten gewinnunabhängige Auszahlungen geleistet werden. Der Gesellschaftsvertrag muss vielmehr eine solche Rückzahlung der gewinnunabhängigen Ausschüttungen ausdrücklich vorsehen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind Gesellschaftsverträge von Publikumsgesellschaften allein nach ihrem objektiven Erklärungsinhalt auszulegen. Gesellschaftsverträge unterliegen einer ähnlichen Auslegung und Inhaltskontrolle wie Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Rechte und Pflichten des Kommanditisten müssen sich aus dem Gesellschaftsvertrag klar ergeben, der Kommanditist darf weiter nicht unangemessen benachteiligt werden.

Aus dem Gesellschaftsvertrag muss sich also klar und unmissverständlich ergeben, dass Ausschüttungen, die zu einem Wiederaufleben der Haftung des Kommanditisten gemäß § 172 Abs. 4 HGB führen, lediglich ein Darlehen an den Kommanditisten sind und von der Geschäftsführung der Gesellschaft bei Liquiditätsproblemen zurückgefordert werden können.

Die sonstigen Regelungen des Gesellschaftsvertrages dürfen mit dieser Regelung nicht im Widerspruch stehen und insoweit keine Unklarheiten aufweisen.

Diese Voraussetzungen hat das Oberlandesgericht Hamm vorliegend angenommen.

 

Die Praxisempfehlung

  1. Wenn Sie sich im Rahmen einer Kapitalanlage als Kommanditist an einem Unternehmen beteiligen, prüfen Sie den Gesellschaftsvertrag auf die Regelungen zu Ausschüttungen.
  2. Werden Sie als Kommanditist einer Publikums-KG auf die Rückzahlung von erhaltenen Ausschüttungen in Anspruch genommen, sollten Sie die Rückzahlungsverlangen sorgfältig prüfen lassen. Die Gerichte haben hohe Hürden für eine Rückforderung aufgestellt. Ratsam ist immer eine Einzelfallprüfung.

 

Gelesen 2627 mal

Wir brauchen Ihre Zustimmung!

Diese Webseite verwendet Google Maps um Kartenmaterial einzubinden. Bitte beachten Sie, dass hierbei Ihre persönlichen Daten erfasst und gesammelt werden können.
Um die Google Maps Karte zu sehen stimmen Sie bitte zu, dass diese vom Google-Server geladen wird. Weitere Informationen finden sie HIER