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19 Januar

Werkvertragsrecht: Kann sich die Bürgin gegenüber dem Bauherrn auf eine von der Sicherungsabrede der Werkvertragsparteien abweichende Erklärung berufen?

Oberlandesgericht Frankfurt a.M, Hinweis vom 06.12.2016 – 5 U 39/16
Werkvertragsrecht – Bürgschaft, Sicherungsabrede, Anspruch

Das Praxisproblem

Häufig vereinbaren die Parteien eines Bauvertrages eine Sicherheit zugunsten des Bauherrn für die Dauer der Gewährleistungszeit. Der Bauherr ist in diesem Fall berechtigt, von der Schlussrechnungssumme einen Einbehalt vorzunehmen, den der Bauunternehmer wiederum durch Stellung einer eigenen Sicherheit ablösen kann. Eine solche Ablösung erfolgt meist durch die Stellung einer Bankbürgschaft. Problematisch wird eine solche übliche Regelung dann, wenn die Bürgschaftserklärung nach § 765 Abs. 1 BGB und die Sicherheitsvereinbarung der Bauvertragsparteien inhaltlich entgegen § 767 Abs. 1 BGB auseinander fallen.

Aktuell führt die Rechtsanwaltskanzlei Dr. Puplick & Partner mbB hierzu für einen Bauherrn einen Rechtsstreit vor dem Oberlandesgericht Frankfurt a.M.

 

Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat einen Fall zu entscheiden, in welchem die Bauvertragsparteien vereinbart haben, dass der Auftragnehmer den Sicherungseinbehalt des Auftraggebers in Höhe von 5 % der Schlussrechnungssumme durch Stellung einer Gewährleistungsbürgschaft ablösen durfte. Sonstige Einschränkungen nahmen sie nicht vor. Im Anschluss übersandte der Auftragnehmer dem Auftraggeber dagegen eine Bürgschaft, in welcher die Bürgin erklärte, dass sie die Gewährleistungsbürgschaft nur „für bereits fertig gestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten“ übernimmt. Hierauf zahlte der Auftraggeber den Sicherungseinbehalt aus. Später fiel der Auftragnehmer in die Insolvenz. Der Auftraggeber macht nunmehr Ansprüche wegen Kosten der Mängelbeseitigung gegen die Bürgin geltend.

In der ersten Instanz blieb dies zunächst ohne Erfolg. Aus zwei Gründen vertrat das Landgericht Wiesbaden unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt a.M. und anderer Obergerichte die Auffassung, die Bürgin habe ihre Schuld wirksam beschränkt.

  1. Zwar wäre die eigentliche Sicherungsabrede zwischen den Parteien des Bauvertrages weiter gewesen, hierauf käme es aber nicht an, denn es gelte die einschränkende Erklärung der Bürgen. Zwar hätte der Bauherr diese Bürgschaft zurückweisen und eine vertragskonforme verlangen dürfen, dies habe er aber versäumt.
  2. Der Bürgschaftsfall sei auch inhaltlich nicht eingetreten, weil bei der ersten Abnahme Mängel aufgetreten seien, die der Auftragnehmer zwar im Anschluss beseitigt habe, gleichwohl aber unklar bliebe, ob der Bauherr Ansprüche wegen Mängel geltend mache, die bereits bei der Abnahme vorhanden und erkennbar gewesen seien. Insoweit habe die Bürgin ihre Bürgenschuld wirksam beschränkt.

 

Gegen das Urteil des Landgerichts haben wir für die Mandantin Berufung eingelegt. Dabei haben wir unter Auswertung der Rechtsprechung dargelegt, weshalb es im konkreten Fall zu einer anderen Entscheidung kommen muss.

Zu Recht, wie das Oberlandesgericht Frankfurt a.M. in der mündlichen Verhandlung am 06.12.2016 deutlich gemacht hat. Nachdem die Bürgin in ihrer Bürgschaftserklärung ausdrücklich auf die Sicherungsabrede der Bauvertragsparteien Bezug genommen hatte, ist die Erklärung der „redlichen Bürgin“ bereits so auszulegen, dass sie tatsächlich für den zwischen den Parteien vereinbarten Sicherungszweck bürgen wolle.

Das Oberlandesgericht wies zudem darauf hin, dass  die Bürgin ihre Bürgenschuld allenfalls dann wirksam einschränken könne, wenn sie die Parteien des Bauvertrages hierauf ausdrücklich hinweise. Die bloße Aufnahme einer Formularklausel „für bereits fertig gestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten“ in die Bürgschaftsurkunde genüge hierfür nicht.

 

Die Praxisempfehlung

  1. Bereits bei Abschluss eines Werkvertrages gilt: Vereinbaren Sie als Bauherr bei Vertragsschluss eine ausreichende Sicherheit für den Zeitraum der Leistungserbringung und für die sich anschließende Gewährleistungszeit.
  2. Prüfen Sie als Bauherr die vom Bauunternehmer vorgelegte Bürgschaft genau, bevor sie den Sicherheitseinbehalt ausbezahlen. Stimmt diese mit der vertraglichen Vereinbarung überein? Abweichungen sind für den Laien auf den ersten Blick oftmals nicht zu erkennen.
  3. Für den Werkunternehmer gilt: Stellen Sie sicher, dass die Bürgin eine Erklärung abgibt aus welcher sie dann wirksam die Auszahlung des Gewährleistungseinbehalts verlangen können.
  4. Für Vertragserfüllungsbürgschaft und Gewährleistungsbürgschaft besteht eine umfassende obergerichtliche Rechtsprechung. Lassen sie sich das dahinter stehende System bereits vor Vertragsschluss erläutern und achten Sie auf die Wirksamkeit entsprechender vertraglicher Regelungen. Dann lassen sich nachträglich Überraschungen vermeiden.

 

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