Öffentliches Baurecht: Welten prallen aufeinander!
19 Januar

Öffentliches Baurecht: Welten prallen aufeinander!

Ist eine 12-köpfige Studenten WG in einem „Reinen Wohngebiet“ (§ 3 BauNVO) ein bauplanungsrechtlich zulässiger Nachbar?
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 08.12.2016 – 8 A 10680/16

Das Praxisproblem

Neben einem stattlichen Anwesen, das von einem älteren Herren in einem reinen Wohngebiet bewohnt wird, befindet sich eine elf-köpfige Studenten WG. Diese bewirbt ein frei werdendes Zimmer mit einer Annonce. Kann bauaufsichtsrechtlich mit einem Verpflichtungsbegehren des Klägers gegen die Nutzung des Nachbargebäudes als Studenten WG vorgegangen werden?

Die Entscheidung

In der ersten Instanz hat das Verwaltungsgericht das Begehren des Klägers abgelehnt. Der Kläger habe keinen Anspruch auf das bauaufsichtsrechtliche Einschreiten, weil die im Anwesen der Beigeladenen stattfindende Nutzung nicht gegen nachbarschützende Vorschriften verstoße. Eine Studenten WG sei in einem reinen Wohngebiet zulässig. Insbesondere handele es sich nicht um einen in einem reinen Wohngebiet nach dem Bebauungsplan ausgeschlossenen Beherbergungsbetrieb.

Der Kläger richtete sich gegen das erstinstanzliche Urteil und stellte einen Zulassungsantrag zur Berufung.

Im Ergebnis ohne Erfolg!

An der Richtigkeit des Urteils bestehen nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes Rheinland-Pfalz (Beschluss vom 08.12.2016 – 8 A 10680/16) weder ernstliche Zweifel (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch weist die Rechtssache rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf.

Es handelt sich um eine Nutzung als Wohngebäude. Das Wohnen ist auf Dauer angelegt und deutlich vom schlichten „Unterkommen“ abzugrenzen, da bei einer Studenten WG anders etwa als bei einem Beherbergungsbetrieb keine stetig wechselnde Nutzung vorliegt.

Die Nutzung ist gebietsverträglich. Denn die Zulässigkeit eines Bauvorhabens folgt den Begriffskategorien der in § Abs. 2 und Abs. 3 BauNVO genannten Baugebietstypenvorschriften. Eingegrenzt wird das Kriterium durch den Begriff der Gebietsverträglichkeit.

Hier geht es um die Vermeidung solcher, als atypisch angesehener Nutzungen, die den Wohngebietscharakter als solchen stören. Maßgeblich ist eine generelle Betrachtung. Ein Vorhaben muss typisierend geeignet sein, ein bodenrechtlich beachtliches Störpotential zu entfalten. Ob ein Vorhaben aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalles der Eigenart des Baugebiets widerspricht, ist der nachrangigen Prüfung gemäß § 15 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BauNVO vorbehalten.

Auch ein Verstoß gegen das Rücksichtnahmegebot liegt nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichtes nicht vor.

Nach der hier zur Bewertung der Gebietsverträglichkeit gebotenen „typisierenden Betrachtung“ erweist sich die Wohnnutzung des Anwesens der Beigeladenen durch eine WG von elf oder mehr Personen nicht als generell unverträglich mit der in § 3 Abs. 1 BauNVO dem reinen Wohngebiet zugewiesenen Zweckbestimmung.

 

Die Praxisempfehlung

Für Sie als Investor/ Bestandhalter

1. Wir helfen Ihnen Vorhaben in den entsprechenden Gebieten zutreffend zu kategorisieren und einzustufen. So ist beispielsweise in einem reinen Wohngebiet die Unterbringung von Studentenwohnheimen verträglich. Ebenso verträglich ist die Unterbringung von 15 Flüchtlingen in einer Doppelhaushälfte in einem faktischen reinen Wohngebiet (HessVGH, Beschluss vom 03.03.3016 -4B 403/16). Nicht verträglich und damit unzulässig ist allerdings die Errichtung eines Zustellstützpunktes der Deutschen Post AG in einem reinen Wohngebiet.

2. Die Analyse und Kategorisierung Ihres Objektes öffnet neue renditeträchtige bauplanerische Horizonte. Durch eine flächenoptimierte Umgestaltung eines Bestandsobjektes werden höhere Mieteinnahmen bei gleicher Grundfläche erzielt. Ihr Vorteil: Langfristig ein gestärkter Cash-Flow.

 

Für Sie als Architekt

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2. Für Sie als Architekt besteht vor dem Hintergrund dieser Entscheidung die Möglichkeit, sich neue Honorarquellen zu erschließen. Der Vorteil für Sie: Sie können den Eigentümern das wirtschaftliche Potential der Umplanung eines Bestandsobjektes unmittelbar vor Augen führen. Im Falle des Neubaus können Sie Eigentümer auf Flächenoptimierungspotential aufmerksam machen. Ein erheblicher Wettbewerbsvorteil für Sie.

 

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