02 November

Unternehmenskaufvertrag: Umfang der Aufklärungspflicht des Verkäufers?

OLG Hamm, Urteil vom 30.10.2015, Az. I-25 U 87/13

Das Praxisproblem

Bei dem Kauf von Unternehmensbeteiligungen kommt es regelmäßig zu Streit, wenn der Käufer seine Erwartungen in das Unternehmen und hierbei insbesondere in Umsatz und Ertrag des Unternehmens nicht erfüllt sieht.

Käufer versuchen dann häufig, den Verkäufer und/oder an dem Verkauf beteiligten Berater in Regress zu nehmen.

Welche Aufklärungspflichten treffen den Verkäufer?

 

Die Entscheidung

Dem Oberlandesgericht Hamm lag ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, bei dem der Kläger mit Vertrag vom 31.05.2010 ein Unternehmen für einen Kaufpreis von 2,5 Million € erworben hat und nachfolgend seine Erwartungen nicht erfüllt sah.

Tatsächlich war es

Er behauptete, das Unternehmen sei ihm zu einem überhöhten Preis verkauft worden, weiter seien ihm wesentliche für die Bewertung des Unternehmens maßgebliche Umstände vorenthalten worden.

Während der Vertragsverhandlungen hat sich die Käuferin von einer Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfergesellschaft begleiten lassen. Die Käuferin und ihre Beraterin hatten Einsicht sowohl in die Bilanzen als auch die Buchführung des verkauften Unternehmens.

Für den Beklagten zu 1.) war als Steuerberater der spätere Beklagte zu 2.) tätig. Seine Aufgabe war es, der Käuferin die Einsichtnahme in die Buchführung und die Bilanzen des Unternehmens zu ermöglichen.

Der Verkauf war durch die Tätigkeit eines Vermittlers, des späteren Beklagten zu 3.) zustandegekommen. Der Vermittler hatte bereits im Dezember 2008 für den Verkäufer ein Kurzgutachten zum Unternehmenswert erstellt, welches für das Unternehmen einen Wert von lediglich 1,3 Million € ausgewiesen hatte. Im Jahr 2007 hatte der Vermittler gegenüber dem Verkäufer angegeben, er könne zum damaligen Zeitpunkt keine Unternehmensbewertung erstellen, weil dem im Unternehmen angelegten Potenzial nicht Rechnung getragen werden könne.

Von diesen Umständen erlangte der Verkäufer erst nach Vertragsschluss Kenntnis.

Sowohl das Dortmund als erstinstanzliches Gericht, als auch in zweiter Instanz das Oberlandesgericht Hamm haben die Klage abgewiesen.

Es bestünde kein Anspruch gegen den Verkäufer. Das Oberlandesgericht Hamm verwies darauf, dass der Bundesgerichtshof in einer grundlegenden Entscheidung aus dem Jahr 2001 zu den Informationsinteressen des Verkäufers und den Informationspflichten des Verkäufers eines Unternehmens wie folgt ausgeführt hat:

„Beim Kauf eines Unternehmens oder von GmbH-Geschäftsanteilen ist im Hinblick auf den für den Kaufpreis im Regelfall erheblichen Ertragswert insbesondere zu berücksichtigen, daß der Kaufinteressent - für den Verkäufer erkennbar - sich ein einigermaßen zutreffendes Bild von den wertbildenden Faktoren in erster Linie nur an Hand der Bilanzen, der laufenden betriebswirtschaftlichen Auswertungen, sonstiger Buchführungsunterlagen und ergänzender Auskünfte des Inhabers oder Geschäftsführers machen kann. Diese Erschwerung der Bewertung des Kaufobjekts durch einen außenstehenden Interessenten, die auch durch dessen möglicherweise vorhandene Sachkunde nicht ausgeglichen wird, und seine besondere Abhängigkeit von der Vollständigkeit und Richtigkeit der ihm erteilten Informationen vor allem zur Umsatz- und Ertragslage des Unternehmens sowie die regelmäßig weitreichenden wirtschaftlichen Folgen der Kaufentscheidung rechtfertigen es, dem Verkäufer eine gesteigerte Aufklärungspflicht aufzuerlegen und an die hierbei anzuwendende Sorgfalt einen strengen Maßstab anzulegen.“

(BGH, Urteil vom 04.04.2001, Az. VIII ZR 32/00)

Diese Maßstäbe sah das Oberlandesgericht nicht verletzt.

Das Oberlandesgericht vertrat die Ansicht, dass die Informationsinteressen der Käuferin nicht erfordern, dass der Verkäufer darzulegen hat, dass in der Vergangenheit von Verkaufsplänen abgerückt ist oder solche nicht weiter verfolgt hat, weil ihm ein zu geringer Erlös als möglich benannt worden ist. Der Verkäufer habe lediglich über objektiv festgestellte Mängel des Unternehmens Auskunft zu erteilen und dürfe den Käufer insoweit nicht im Ungewissen lassen.

Daher habe der Verkäufer vorliegend die Käuferin nicht über die früheren Tätigkeiten des Vermittlers oder deren Ergebnis aufzuklären gehabt.

Auch unter Berücksichtigung des gesteigerten Informationsinteresses der Käuferin habe der Verkäufer nicht weitergehend über das Vermögen und die Ertragssituation des Unternehmens informieren müssen. Das Oberlandesgericht hat hierbei insbesondere darauf abgestellt, dass die Käuferin und die von ihr eingeschaltete Beraterin Einblick in die Bilanzen und Buchhaltung des verkauften Unternehmens hatten und zu einzelnen Punkten auch nachfragen erfolgt und beantwortet worden sind.

Es bestünde weiter auch kein Anspruch gegen den Beklagten zu 2.), dem Steuerberater des Verkäufers. Ein solcher Anspruch sei überhaupt nur dann gegeben, wenn der Steuerberater ein besonderes persönliches Vertrauen in Anspruch genommen habe. Dies sei hier jedoch nicht der Fall gewesen. Der Steuerberater des Verkäufers sei lediglich eingeschaltet worden, um der Käuferin eine Einsichtnahme in die Buchführung und die Bilanzen des verkauften Unternehmens zu geben. Darüber hinaus habe der Steuerberater sogar Fragen der Käuferin zur Bilanz beantwortet.

Der Steuerberater habe auch kein eigenes wirtschaftliches Interesse an dem Vertrag gehabt.

Auch Ansprüche gegen den Vermittler bestand nach Auffassung des Oberlandesgerichtes Hamm nicht. Die Tätigkeit des Vermittlers sei als Maklervertrag einzustufen.

Der Vermittler sei vorliegend als Doppelmakler sowohl für den Verkäufer, als auch für die Käuferin tätig geworden. Er habe seine ihm gegenüber der Käuferin obliegenden Pflichten aus dem Maklervertrag allerdings nicht verletzt. Er habe insbesondere die von ihm als Doppelmakler zu wahrende strenge Unparteilichkeit nicht verletzt.

Der Vermittler habe auch nicht darauf hinweisen müssen, dass ihm beide Vertragsparteien ein Entgelt versprochen haben.

Vor dem Hintergrund der eigenen Sachkunde der Käuferin, die für die Begleitung bei dem Kauf des Unternehmens und insbesondere bei der Bewertung des Unternehmens einen eigenen Berater eingeschaltet hatte, sei der Vermittler auch nicht dazu verpflichtet gewesen, darauf hinzuweisen, dass er im Jahr 2007 keine Erfolgsaussichten für den Verkauf des Unternehmens gesehen und im Jahr 2008 einen erheblich abweichenden Unternehmenswert ermittelt hat. Der Käuferin hätten die objektiven Informationen durch die Einsichtnahme in die Wirtschaftsdaten des Unternehmens zur Verfügung gestanden. Dieses sei ausreichend.

 

Praxisempfehlung

  1. In einem Unternehmenskaufvertrag müssen die wertbildenden Faktoren für den Kaufpreis des Unternehmens so genau wie möglich bezeichnet werden. Nur so ist sichergestellt, dass sich eine der Vertragsparteien im Streitfall darauf beruft, dass es sich bei bestimmten Umständen wie etwa dem Bestand an Kunden oder der Ertragskraft des Unternehmens, um einseitig gebliebene Vorstellungen und Annahmen der anderen Vertragspartei gehandelt hat.
  2. Achten Sie auf eine sorgfältige und vollständige Dokumentation des Unternehmenskaufes. Dokumentiert werden sollte vor allem auch, welche Informationen zur Verfügung gestellt worden sind. Im Streitfalle läßt sich dann die Behauptung bestimmte Informationen hätten oder hätten nicht vorgelegen, leicht entkräften.
  3. Streitigkeiten über die Erwartungen an einen Unternehmenskauf können vermieden werden, wenn eine Preisanpassungsklausel vereinbart wird. Hiernach verringert sich der Kaufpreis in vorher vereinbarter Höhe, wenn vorab bestimmte negative Entwicklungen eintreten. Auch der umgekehrte Fall ist denkbar, dass eine Erhöhung des Kaufpreises vereinbart wird, falls das Unternehmen eine positive Entwicklung nimmt.
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