02 November

Gewährleistungsrecht beim Verbrauchsgüterkauf: Reichweite der Beweislastumkehr in den ersten 6 Monaten nach Gefahrübergang, wer muss einen Mangel darlegen und beweisen?

BGH, Urteil vom 12.10.2016, Az. VIII ZR 103/15

Das Praxisproblem

Für den Verbrauchsgüterkauf, also immer dann, wenn ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft, gilt gemäß § 476 BGB eine Beweislastumkehr bei dem Vorliegen von Mängeln.

Der § 476 BGB lautet:

Zeigt sich innerhalb von sechs Monaten seit Gefahrübergang ein Sachmangel, so wird vermutet, dass die Sache bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar.

Der Anwendungsbereich und die Reichweite dieser Vorschrift war bereits in der Vergangenheit umstritten und Gegenstand diverser gerichtlicher Entscheidungen.

Streitig war dabei regelmäßig, wer vortragen und beweisen musste, dass ein Sachmangel in den ersten 6 Monaten nach Gefahrübergang aufgetreten ist und dieser Sachmangel von dem Verkäufer zu vertreten ist.

 

Die Entscheidung

Dem Bundesgerichtshof lag jetzt ein Sachverhalt zur Entscheidung vor, bei dem ein Verbraucher von einem Kfz Händler einen gebrauchten BMW 525d Touring zum Preis von 16.200,00 € gekauft hatte. Der Kläger fuhr das Fahrzeug 5 Monate lang legte rund 13.000 km Fahrstrecke zurück. Auf einmal schaltete die Getriebeautomatik bei der Einstellung „D“ nicht mehr selbständig in den Leerlauf, stattdessen starb der Motor ab. Ein Anfahren oder Rückwärtsfahren bei Steigungen war nicht mehr möglich.

Der Käufer setzte der Verkäuferin eine Frist zur Mängelbeseitigung und trat nach erfolglosem Ablauf der Frist vom Kaufvertrag zurück. Er verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises und den Ersatz geltend gemachter Schäden.

Die Klage hatte vor dem Landgericht und dem Oberlandesgericht keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht sah es nach der Einholung eines Sachverständigengutachtens zwar als grundsätzlich möglich an, dass der Leerlauf des Automatikgetriebes bereits bei der Übergabe des Fahrzeuges Schäden aufwies, diese sei jedoch nicht nachgewiesen. Es könne grundsätzlich auch sein, dass eine Überlastung, also einen Bedienungsfehler des Klägers nach der Übergabe des Fahrzeuges den Schaden verursacht hat.

Dieses Ergebnis der Beweisaufnahme ginge zulasten des Klägers.

Dem hat der Bundesgerichtshof jetzt in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung widersprochen und das Urteil des Oberlandesgerichtes aufgehoben.

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Käufer lediglich darzulegen und nachzuweisen hat, dass die Kaufsache nicht dem Qualitäts-, Leistungs- und Eignungsstandards einer Sache entspricht, die er zu erhalten nach dem Vertrag vernünftigerweise erwarten konnte. Der Käufer muss also weder den Grund dafür nachweisen, dass die Kaufsache mangelbehaftet ist, noch nachweisen, dass dieses dem Verkäufer zuzurechnen ist.

Weitergehend hat der Bundesgerichtshof auch eine Verschiebung der Beweislast auf den Verkäufer angenommen. Der Verkäufer und nicht mehr der Käufer, hat darzulegen und nachzuweisen, dass ein Sachmangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs (regelmäßig also bei Übergabe der Kaufsache) noch nicht vorhanden war und der Mangel auf eine Handlung oder Nicht-Handlung des Käufers zurückzuführen ist.

Der Käufer musste vorliegend also lediglich nachweisen, dass er angesichts des Kaufpreises und des Alters des Fahrzeuges erwarten konnte, ein Fahrzeug zu erhalten, welches keinen Mangel des Automatikgetriebes aufweist.

Demgegenüber musste der Verkäufer nachweisen, dass der Mangel aufgrund eines Verhaltens des Käufers (Bedienungsfehler) aufgetreten ist.

Diese Frage konnte der Bundesgerichtshof nach den Feststellungen der Berufungsinstanz nicht abschließend beurteilen, so dass er das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen hat.

 

Die Praxisempfehlung

Der Bundesgerichtshof hat die Darlegungs- und Beweislast für den Verbrauchsgüterkauf erheblich zu Lasten des Unternehmers verschoben. Der nunmehr dem Unternehmer obliegende Nachweis, dass der Mangel zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs noch nicht vorhanden war, wird regelmäßig von dem Unternehmer nicht zu führen sein. Wichtig ist es für den Unternehmer daher, die Kaufsache so genau wie möglich zu beschreiben, um sich auf den Ausschlussgrund „es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Sache […] unvereinbar“ (§ 476 BGB a.E.) berufen zu können.

 

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