01 Januar

Werkliefervertrag- Kaufrecht oder Werkvertragsrecht?

I. Das Praxisproblem
Ein typischer Fall aus der Praxis:

Ein Unternehmer liefert an den Kunden verschiedene Bauteile für eine Gesamtanlage oder ein Bauwerk.
Unterfällt dieser Vertrag dem Werkvertragsrecht, so hat der Kunde den Nacherfüllungsanspruch des Werknehmers. Findet jedoch Kaufrecht Anwendung, so obliegt dem (gewerblichen) Kunden die Untersuchungs- und Rügepflicht des §§ 377 HGB.
Es ist daher entscheidend, welches Recht auf Werklieferungsverträge Anwendung findet.

Seit der Neuregelung durch die Schuldrechtsreform vom 1.1.2002 ist grundsätzlich Kaufrecht anwendbar.
Daher stellt sich die Frage, ob für Verträge zwischen Unternehmen auch § 377 HGB gilt, wenn die Lieferung von Bauteilen zum Einbau in ein Bauwerk oder eine ortsfeste Anlage geschuldet ist.

Gelangt man hier zu dem Ergebnis, dass im Verhältnis zwischen Unternehmen Kaufrecht zur Anwendung gelangt und damit die Untersuchungs- und Rügepflicht des § 377 HGB gilt, verliert der Käufer sämtliche Mängelrechte, wenn er die Kaufsache nicht umgehend untersucht und die festgestellten Mängel rügt.
Bis zur Rechtsprechungsänderung im Jahr 2009 wurde auf derartige Verträge Werkvertragsrecht angewendet.
Dies hatte zur Folge, dass dem Besteller uneingeschränkte Nacherfüllungsansprüche zustanden.

II. Die Entscheidung
Der BGH hat mit Urteil vom 23.7.2009 (VII ZR 151/08) entschieden, dass die Regelungen des Kaufrechts auch auf die vorgenannten Verträge anzuwenden ist.


Der Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in welchem die Klägerin bei der Beklagten Bauteile und Materialien einschließlich einer Statik zur Errichtung einer Siloanlage bestellt hatte. Nach der Errichtung stellte sich heraus, dass die Anlage Mängel aufwies, weil die Bleche für Trennwände zu gering dimensioniert waren. Die Klägerin machte daraufhin Nacherfüllungsansprüche geltend. Die Beklagte berief sich demgegenüber auf die Verletzung der Prüfungspflicht der Beklagten aus § 377 HGB. Das Landgericht und das Oberlandesgericht gaben der Klage statt.

Der BGH hat Nacherfüllungsansprüche der Klägerin verneint. Hier sei Kaufvertragsrecht und nicht – wie das erstinstanzliche Gericht und das Berufungsgericht angenommen hatten - Werkvertragsrecht anzuwenden. Bisher sei es für die Anwendung von Werkvertragsrecht darauf angekommen, ob die hergestellten Sachen zum Einbau in ein Bauwerk bestimmt waren. Dieses Unterscheidungskriterium sei nach neuem Recht hinfällig. Danach sei allein maßgeblich, ob die Lieferung einer beweglichen Sache geschuldet ist. Sei dies der Fall, kommt Kaufrecht zur Anwendung, so dass bei Verträgen zwischen Unternehmen § 377 HGB gilt.

Den verschärften Prüfungspflichten des Handelskaufs sei die Klägerin nicht nachgekommen, so dass sie ihre Gewährleistungsansprüche verloren habe. Auch die Erbringung von Planungsleistungen – hier die Erstellung einer prüffähigen Statik – ändere daran nichts. Diese seien im entschiedenen Fall nur von untergeordneter Bedeutung. Erst wenn die Planungsleistungen den Schwerpunkt der vertraglichen Verpflichtung bildeten, sei die Anwendung von Werkvertragsrecht gerechtfertigt.


III. Die Praxisempfehlung
Hat ein Vertrag lediglich die Lieferung von Bauteilen zur Erstellung eines Bauwerkes oder einer Anlage zum Gegenstand, gilt für Verträge zwischen Unternehmen somit die verschärfte Prüfungspflicht des § 377 HGB. Der Besteller muss die Bauteile daher im Idealfall bereits bei Anlieferung einer genauen Prüfung unterziehen und bereits zu diesem Zeitpunkt festgestellte Mängel rügen. Geschieht dies nicht, so verliert der Besteller seine Gewährleistungsrechte.


Dies gilt nur dann nicht, wenn Planungsleistungen den Schwerpunkt der vertraglichen Verpflichtung bilden. Offen gelassen hat der BGH, was gelten soll, wenn sich der Lieferant zum Einbau der Bauteile in ein Bauwerk oder zur Errichtung einer Anlage verpflichtet hat. Da der BGH auf die Bedeutung des Umfangs von Planungsleistungen hinweist, ist jedoch davon auszugehen, dass der BGH zumindest dann an seiner bisherigen Rechtsprechung festhalten will, wenn der Schwerpunkt der vertraglichen Vereinbarung auf der Errichtung eines Bauwerks oder einer Anlage liegt.

Den damit verbundenen Unsicherheiten kann der Besteller nur dadurch entgehen, dass er die Geltung von § 377 HGB ausschließt.

 

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Dr. Alexander Puplick, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht, Fachanwalt für Verwaltungsrecht
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